In welchem Fall die medizinische Zweitmeinung Sinn macht und wie man sich darauf vorbereitet, erklärt Herzchirurg Thierry Carrel vom Berner Inselspital.
Wenn Sie vor einem Eingriff nicht genau verstanden haben, was Ihr Arzt Ihnen vorgeschlagen hat, wenn Sie über die Notwendigkeit einer Behandlung unsicher sind oder wenn Ihnen alles viel zu schnell geht.
Bei Herzleiden ist das Verlangen nach einer Zweitmeinung besonders häufig. Der Grund: Herzpatienten spüren oft keine Symptome, selbst wenn ihr Leiden bereits fortgeschritten und vielleicht auch mal bedrohlich ist. Deshalb sehen sie die Notwendigkeit einer Operation nicht ein.
Ich versuche jeweils, den Betroffenen das komplexe Thema auf verständliche Weise zu erklären und sie vom Eingriff zu überzeugen. In den meisten Fällen aber geht es nicht um die Frage, ob Operation oder keine Operation, sondern um die Methodik – also etwa ob Stent oder Bypass. Ich bespreche mit dem Patienten Risiken, Vor- und Nachteile und Erfolgsaussichten. Oft schätzen es die Patienten besonders, dass ich mir die Zeit nehme, ihnen die Basics über das Herz und über ihre Krankheit zu erklären.
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Ich gebe meine Empfehlung nach bestem Wissen und Gewissen ab. Ich habe weder die Absicht, den Patienten an mich zu binden, noch seinem Arzt Recht oder Unrecht zu geben. Komme ich zu einem anderen Schluss, rate ich dem Patienten, sich eine Bedenkzeit zu nehmen – sofern die Operation nicht eilt. Der Hausarzt kann ihn bei der Entscheidung unterstützen, etwa indem er sich im Kollegenkreis über die Expertise der beiden Spezialisten und den Ruf ihrer Klinik informiert. Das ist heute einfacher in Erfahrung zu bringen.
In circa 90 Prozent der Fälle unterstützt meine Zweitmeinung die erste. Genau gesagt: Bei der Frage, ob etwas überhaupt operiert werden muss, sind es 90 Prozent, bei der Frage nach der Methodik sind es vielleicht 70 bis 80. Ich bin fest davon überzeugt, dass man keinerlei Operationsmethode als Werbeinstrument den Patienten anpreisen sollte. Es kann auch vorkommen, dass ich als Zweitmeinungsarzt eine Behandlung empfehle, die nicht zu meinem Fachgebiet gehört – zum Beispiel, dass eine Katheter-Intervention und nicht eine Herzoperation durchgeführt werden sollte. Dazu müsste eigentlich jeder die Grösse haben.
Er soll dem Zweitmeinungsarzt sämtliche Akten vorgängig schicken, und zwar nicht nur den Bericht oder den Befund seines Arztes, sondern die Bilder von Ultraschall- oder Computertomographie-Untersuchungen. Dadurch kann sich der Zweitmeinungsarzt optimal vorbereiten. Zudem soll der Patient einen Fragekatalog mitbringen, damit alle letzten Unklarheiten und Unsicherheiten geklärt werden können. Und er sollte eine Begleitperson mitnehmen. So kann noch jemand anderer zuhören.
Ja. Aber man sollte ihm unbedingt auch mitteilen, dass man sie für eine ärztliche Zweitmeinung benötigt, weil man sich etwas unsicher fühlt – zum Beispiel in Bezug auf eine vorgeschlagene Behandlung. So ist es transparent und man verhindert Missverständnisse. Wenn der Patient Transparenz wünscht, muss er auch gegenüber dem Arzt möglichst offen sein.
Nein. Ärzte wissen, dass Patienten heute viel aufgeklärter sind als früher. Ein Mediziner, der kein Verständnis für die medizinische Zweitmeinung hat, lebt nicht mehr in der heutigen Zeit.
In einem gewissen Sinne schon. Vor zwanzig Jahren gab es dieses Angebot jedenfalls noch nicht. Heute tauschen sich die Patienten über eine Operation eher aus, lesen darüber in Zeitungen oder im Internet und erfahren so etwa unterschiedliche Zahlen zu Chancen und Risiken. Das kann verunsichern, gerade bei grösseren Operationen.
Wenn der Eingriff nicht dringend ist und sich der Patient nicht in einer gefährlichen Situation befindet, sollte er sich für seine Entscheidung Zeit nehmen. Er sollte sich in Ruhe alles überlegen und sich nicht von einem Arzt bedrängen lassen.