Endometriose: das unbekannte Frauenleiden

Wenn sich Zellen der Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutter ansiedeln, kann das zu höllischen Schmerzen und Unfruchtbarkeit führen. In der Schweiz ist jede zehnte Frau von dieser gutartigen, aber schmerzhaften chronischen Krankheit betroffen.

09.06.2022 Laetitia Hardegger 6 Minuten

Unterleibskrämpfe, Rückenschmerzen, Unkonzentriertheit, Müdigkeit, Durchfall: Frauen mit Endometriose erleiden Monat für Monat Höllenqualen. Weil sie mit regulären Menstruationsschmerzen verwechselt werden, vergehen bis zur Diagnose oft mehrere Jahre.

Was ist Endometriose?

Bei einer Endometriose bleibt die Gebärmutterschleimhaut, auch Endometrium genannt, nicht dort, wo sie hingehört – nämlich in der Gebärmutter. Sie wandert im Körper umher und setzt sich irgendwo, meist im Bauchraum, fest. Häufig nistet sie sich an den Eierstöcken, am Bauchfell, an der Blase oder zwischen Scheide und Darm ein. Diese Zellen vergessen ihre ursprüngliche Aufgabe nicht und wachsen darum während des Zyklus an und bluten ab. Im Unterschied zur Menstruation können das Blut und die Schleimhaut nicht durch die Scheide abfliessen, sondern bleiben im Körper. Das führt bei vielen Frauen zu Zysten, Entzündungen und Verwachsungen, die heftige Schmerzen hervorrufen können.

Anzeichen und Beschwerden

Wie sich die Krankheit äussert, ist von Frau zu Frau verschieden. Die Stärke der Ausbreitung im Körper steht nicht im Zusammenhang mit den Symptomen: Kleinere Herde können heftige Beschwerden verursachen, während Frauen mit ausgedehnten Herden nichts von ihrer Krankheit bemerken.

Bei starken Beschwerden können Betroffene in der akuten Phase ihrer Arbeit oder ihrem Alltag kaum nachgehen. Das Leben ist stark eingeschränkt und richtet sich nur noch nach dem Zyklus. Oft erfährt man von der Krankheit erst, wenn man wegen eines unerfüllten Kinderwunschs ärztlichen Rat sucht. Denn die Symptome werden häufig mit normalen Periodenbeschwerden verwechselt. Es gilt: Alles, was über ein leichtes Ziehen und Unwohlsein hinausgeht und Sie nicht mehr uneingeschränkt am Leben teilnehmen lässt, sollten Sie ärztlich untersuchen lassen.

Mögliche Beschwerden bei einer Endometriose:

  • starke Schmerzen im Unterleib, vor und während der Menstruation
  • starke oder verlängerte Monatsblutungen
  • Unterbauchschmerzen, die von der Monatsblutung unabhängig sind und sehr heftig sein können 
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder danach
  • Schmerzen oder Blutungen, wenn Blase oder Darm entleert werden
  • unerfüllter Kinderwunsch
  • Energielosigkeit und Antriebsschwäche
  • Rückenschmerzen

Haben Sie noch Fragen zur Endometriose?

Unsere Gesundheitsberaterinnen und -berater liefern Ihnen hilfreiche Informationen dazu.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursache der Endometriose ist wissenschaftlich immer noch nicht vollständig geklärt. Eine verbreitete Erklärung ist, dass während der Periode ein Teil des Menstruationsblutes über die Eileiter in den Bauchraum fliesst.

Die Zellen wachsen unkontrolliert, greifen Organe an, suchen Anschluss an das Gefässsystem und können sich lokal oder im ganzen Körper verteilen. Endometriose ist eine Meisterin der Verwandlung und schwer zu erkennen: Darum nennt man sie auch die Chamäleon-Krankheit.

Inzwischen geht man davon aus, dass die Krankheit vererbbar ist. Statistisch sind Frauen mit den folgenden Merkmalen öfters betroffen:

  • frühe erste Regelblutung
  • kurzer Zyklus und lange Blutungsdauer
  • operativer Eingriff an der Gebärmutter
  • späte erste Schwangerschaft

Diagnose

Die Krankengeschichte spielt eine wichtige Rolle, um die Krankheit zu erkennen. Erfragt werden Endometrioseerkrankungen in der Familie, aktuelle Beschwerden, Fragen zu Stuhlgang, Wasserlassen und Sexualität.

Ab und zu sind Endometrioseherde zwischen Darm und Scheide bereits bei gynäkologischen Untersuchungen tastbar. Mit einer Ultraschalluntersuchung können grössere Herde und Zysten ausserhalb der Gebärmutter gefunden werden. Kleine Herde oder Endometriumzellen, die im Gebärmuttermuskel eingewachsen sind, sind beim Ultraschall jedoch nicht zu erkennen.

Die Bauchspiegelung (Laparoskopie) ist deshalb die einzige Methode, um eine Endometriose zweifellos festzustellen.

Schmerztagebuch

Sind Sie unsicher, ob Sie an Endometriose leiden? Mit einem Schmerztagebuch können Sie bei der Diagnose helfen. Notieren Sie darin folgende Punkte: Wann und in welcher Situation treten die Schmerzen auf? Gibt es einen zeitlichen Zusammenhang zum Zyklus? 

Therapie und Behandlung

Als chronische Entzündungskrankheit kann Endometriose leider nur in Einzelfällen geheilt werden. Die gute Nachricht für ältere Leidende: Normalerweise verschwinden die Beschwerden in der Menopause – also nach der letzten Monatsblutung – von selbst. Fachleute empfehlen eine Kombination von verschiedenen Behandlungsmethoden.

Die Bauchspiegelung (Laparoskopie) dient nicht nur zur Diagnose, sondern ist auch die beste Methode, um Endometrioseherde im Unterbauch zu entfernen. Während der Operation wird der Bauchraum nach ihnen abgesucht. Dann werden die Herde wahlweise durch Verdampfung mit Hochfrequenzstrom, Hitze oder Laser zerstört oder durch Schnitte entfernt.

Eine diagnostische Bauchspiegelung dauert circa 30 Minuten. Eine therapeutische, bei der Verwachsungen oder ausgedehnte Endometrioseherde entfernt werden, kann bis zu zwei Stunden dauern. Auch nach einer Operation können sich jedoch wieder neue Herde bilden. Ausserdem kann der Eingriff zu Verwachsungen und Zysten führen.

Je nach Schwere der Schmerzen können antientzündliche Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Naproxen oder verschreibungspflichtige stärkere Schmerzmittel helfen. Beim Einsatz von Schmerzmitteln ist es zwingend, dass Sie sich von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beraten lassen.

Viele Frauen mit Endometriose leiden unter Beckenbodenverspannungen. Durch Atmungs- und Entspannungsübungen können diese wirksam gelockert werden. Ein gezieltes Training des Beckenbodens hilft bei Blasenschwäche. 

Wenn der Zyklus unterbrochen wird, kann die Endometriose gemässigt werden. Es klingt ganz einfach: Wer nicht blutet, hat keine Schmerzen. Dabei werden häufig Gelbkörperhormone (Progesteron) eingesetzt. Sie unterdrücken den Zyklus und die Blutung. Da der weibliche Körper sie auch selber produziert, sind sie natürlich. Die Therapie beeinflusst gleichzeitig die normale Gebärmutterschleimhaut. Dadurch kommt es zum Versiegen der Menstruation.

Eine andere Art von Hormontherapie ist die Einnahme von GnRH-Analoga (Gonadotropin-Releasing-Hormon). Das synthetische Hormon löst künstlich die Wechseljahre aus – allerdings inklusive aller typischen Beschwerden: Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Osteoporose. GnRH sollten nur kurzzeitig in enger ärztlicher Begleitung eingenommen und ihre Anwendung gründlich abgewogen werden.

Bei einem aktuellen Kinderwunsch wird von Hormonpräparaten abgeraten. Sie wirken empfängnisverhütend. Bei einem zukünftigen Kinderwunsch wird die Hormontherapie von Fachpersonen jedoch empfohlen.

Als Ergänzung zur Schulmedizin empfehlen Fachleute verschiedene komplementäre Behandlungsmethoden:

TCM: Sowohl Akupunktur als auch die Chinesische Kräutermedizin können helfen, die Schmerzen zu verringern.

Klassische Homöopathie: Natürliche Hormontherapien mit Östrogen oder Gelbkörperhormon können die Schmerzen lindern.

Pflanzenheilkunde: Typische Frauenheilkräuter mit einer entzündungshemmenden und hormonregulierenden Wirkung wirken unterstützend. Dazu gehören zum Beispiel Himbeerblätter und der Frauenmantel, die den Hormonhaushalt harmonisieren und die Gebärmutter stärken.

Stressabbau: Japanische Forscherinnen haben herausgefunden, dass der Abbau von Stress das Fortschreiten von Endometriose reduzieren kann.

Schwangerschaft und Endometriose

Wieder nicht schwanger: Ein unerfüllter Kinderwunsch kann an einer ausgeprägten Endometriose liegen. 

Schleimhautwucherungen, Verklebungen und Vernarbungen an den Eileitern oder Eierstöcken sorgen dafür, dass Samenzellen nicht unbehindert zu den Eizellen wandern können. Durch Entzündungen können sich befruchtete Eizellen nicht in der Gebärmutterschleimhaut einnisten. Die Qualität der Eizellen nimmt ab. Besonders häufig entsteht eine Unfruchtbarkeit, wenn das Bauchfell durch eine Endometriose entzündet ist.

Die Chance auf eine Schwangerschaft erhöht sich mit einer Operation, bei der die Endometrioseherde entfernt werden. 

Ernährungstipps bei Endometriose

  • Gesunde Fette wie Olivenöl und Omega-3-Fettsäuren verbessern den Stoffwechsel. Letztere sind zum Beispiel in Leinöl und fettreichen Kaltwasserfischen enthalten.
  • Selen, Zink, Vitamin E und C wirken entzündungshemmend. Gute Lebensmittel sind zum Beispiel Nüsse, Linsen und Johannisbeeren.
  • Wenn Sie eine Woche vor der Menstruation auf Produkte mit Kuhmilch verzichten, kann das die Schmerzen lindern.
  • Ballaststoffe in Vollkornprodukten, Gemüse und Obst senken den Östrogenspiegel. Den gleichen Effekt hat es, wenn Sie auf Alkohol verzichten oder starkes Übergewicht abbauen. Östrogene sind wesentliche Faktoren bei der Entstehung der Endometriose.
  • Zucker und Weissmehlprodukte beeinflussen über das Insulin die Hormone und das Entzündungsniveau. Reduzieren Sie deshalb den Konsum.

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