Postpartale Depression: das Tief nach der Geburt

Die postpartale Depression – auch Wochenbett- oder postnatale Depression genannt – tritt nach der Geburt auf. Sie betrifft sowohl Mütter wie auch Väter. Die Auslöser sind vielfältig. Deshalb braucht es eine individuelle Behandlung.

01.07.2022 Lara Brunner 7 Minuten

Postpartale Depressionen sind in der Schweiz weit verbreitet. Gemäss dem Verein «Postpartale Depression Schweiz» sind rund 15 Prozent der frischgebackenen Mütter betroffen. Viele trauen sich jedoch nicht, das Thema anzusprechen. Sie haben das Gefühl, dass sie eigentlich glücklich sein müssten, und schämen sich für ihr Stimmungstief. Damit die Depression jedoch behandelt und die Symptome gelindert werden können, ist eine Diagnose unvermeidbar.

Postpartal oder postnatal?

Auch wenn mit einer «postpartalen» und einer «postnatalen» Depression das Gleiche gemeint ist und beide Begriffe verwendet werden, gibt es trotzdem einen Unterschied. «Postnatal» bezeichnet die Zeit nach der Geburt, bezieht sich jedoch auf das Kind. «Postpartal» bezieht sich auf die Zeit nach der Entbindung und fokussiert auf die Mutter. Somit ist die korrekte Bezeichnung die postpartale Depression. Umgangssprachlich wird sie auch Wochenbett-Depression genannt.

Was löst eine postpartale Depression aus?

Teilweise ist es schwierig zu unterscheiden, was Ursache und was Symptom der Depression ist. So kann zum Beispiel ein gestörter Schlaf beides sein. Die Auslöser sind meist vielfältig, deshalb muss auch die Behandlung verschiedene Ebenen miteinbeziehen.

Hinweis: Die nachfolgende Liste der Ursachen ist nicht abschliessend.

  • Wenn frischgebackene Mütter schon einmal an einer Depression oder an einer anderen psychischen Erkrankung gelitten haben, weisen sie ein grösseres Risiko auf, an einer postpartalen Depression zu erkranken. Die genetische Veranlagung spielt somit eine grosse Rolle.
  • Nach der Geburt verändert sich der Hormonhaushalt der Mutter. Die Zusammenhänge liessen sich bisher noch nicht abschliessend erforschen. Aber es zeigt sich, dass hormonelle Veränderungen psychische Störungen begünstigen.
Weitere Informationen zu Hormonen und psychischen Veränderungen
  • Körperliche Mangelerscheinungen können eine Depression auslösen. Wenn die Mutter bei der Geburt viel Blut verliert, kann das zum Beispiel zu einem Mangel an Vitaminen oder an Mineralstoffen führen. Aber auch eine einseitige Ernährung erhöht das Risiko einer Depression.
  • Zu wenig Schlaf führt nicht nur zu massiver Erschöpfung, sondern auch zu biochemischen Veränderungen im Körper. So beeinträchtigt ein Schlafmanko etwa den Stoffwechsel und die Tätigkeit der Drüsen.
  • Nach der Entbindung dauert es eine Weile, bis sich der Körper der Mutter wieder zurückgebildet hat. Sichtbare körperliche Zeichen wie zusätzliches Gewicht oder Dehnungsstreifen können ihr aufs Gemüt schlagen.
  • Es besteht die Gefahr, dass Mütter in den ersten Wochen nicht regelmässig oder ausgewogen essen. Sobald sich ein fester Tagesablauf eingespielt hat, sinkt dieses Risiko meist wieder. Während des Wochenbetts sinkt der Blutzuckerspiegel nämlich bereits etwa nach drei statt vier bis fünf Stunden nach der letzten Mahlzeit ab. Erhält der Körper dann keine Kohlenhydrate, schüttet er Adrenalin aus. Das kann die Symptome einer postpartalen Depression verstärken.

Nach der Geburt eines Kindes wird das Leben der Eltern meist komplett auf den Kopf gestellt. Dieser Wendepunkt macht sie anfällig für Krisen.

  • Bisher eingenommene Rollen verändern sich. So wird zum Beispiel eine berufstätige Frau plötzlich zur Mutter und Hausfrau. An diese Veränderungen muss man sich erst gewöhnen und sich in der neuen Situation zurechtfinden. Das kann im schlimmsten Fall zu einer Identitätskrise führen.
  • Neben Rollen verändern sich auch Beziehungen. Davon betroffen ist nicht nur die Beziehung zwischen den Eltern, sondern etwa auch das Verhältnis zur eigenen Familie oder zu Freundinnen und Freunden. Die neue Art von Begegnungen muss sich erst einspielen.
  • Nach der Geburt können unverarbeitete psychische Belastungen aus der Vergangenheit wieder an die Oberfläche kommen. Aber auch negative Erlebnisse während oder kurz nach der Geburt erhöhen das Risiko für eine postpartale Depression.
  • Wenn die Mutter hohe Erwartungen an sich selbst stellt und das Gefühl bekommt, der neuen Situation nicht gerecht zu werden, entwickeln sich Schuldgefühle.
  • Oftmals rücken die Bedürfnisse der Eltern nach der Geburt in den Hintergrund. Die Energiespeicher leeren sich jedoch schnell, wenn man sich selbst vernachlässigt und sich keine Erholung gönnt.

  • Komplikationen während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für eine postpartale Depression. Auch eine ungewollte Schwangerschaft zum Beispiel kann eine Depression auslösen.
  • Traumatische Ereignisse während der Geburt sind ein weiterer Risikofaktor. Hierbei ist der Schweregrad subjektiv. Auch eine sehr schnelle Geburt kann die Mutter durcheinanderbringen. Sie fühlt sich überrumpelt und hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben.
  • Im Wochenbett kann es verschiedene Probleme geben. Diese reichen von körperlichen Beschwerden bis hin zu Stillproblemen.
  • Beim Abstillen sinkt der Endorphin-Spiegel im Körper. Diese Hormone wirken stimmungsaufhellend. Ein Abfall an Endorphinen kann somit eine Depression auslösen.

  • Eine Mutter braucht nicht nur praktische, sondern auch emotionale Unterstützung. Wenn diese fehlt, steigt das Risiko einer Depression.
  • Gerade in der Anfangszeit sind Eltern plötzlich stark ans Zuhause gebunden. Ihr soziales Netz fällt teilweise weg und sie fühlen sich allein.
  • Auch Paarprobleme treten häufig auf. Die Rollen verändern sich. Die Zeit für Zweisamkeit wird knapp oder fehlt ganz.
  • Belastende Situationen wie finanzielle oder berufliche Probleme erhöhen das Risiko für psychische Erkrankungen.

Was sind die Symptome einer postpartalen Depression?

Ein Stimmungstief – auch bekannt als Baby Blues – ist nach der Geburt normal. Innerhalb von wenigen Tagen verschwindet es meist wieder. Halten die Symptome jedoch länger als eine Woche an, könnte eine postpartale Depression dahinterstecken. Zu den Symptomen gehören:

  • Mentale und körperliche Erschöpfung
  • Antriebslosigkeit, Gefühl von Leere
  • Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit
  • Traurigkeit
  • Mangelndes Selbstvertrauen
  • Sexuelle Unlust
  • Konzentrationsprobleme
  • Appetitstörung
  • Schlafstörungen
  • Ängste, bis hin zu Panikattacken
  • Sozialer Rückzug

Eine postpartale Depression kann jedoch auch körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Muskelverspannungen auslösen.

Gut zu wissen

Von einer postpartalen Depression sind auch Väter betroffen. Ein Risikofaktor dafür ist die vorgängige Erkrankung der Mutter. Bei ihnen tritt die Depression jedoch häufig erst später auf. Und auch die Symptome unterscheiden sich. Während Frauen oft traurig sind, fühlen sich Männer eher wütend und sozial isoliert.

Wie behandelt man eine postpartale Depression?

Genauso individuell wie Auslöser und Symptome ist auch die Art der Behandlung. Betroffene müssen herausfinden, was ihnen am besten hilft. Dafür benötigen sie teilweise fachliche Unterstützung.

Was Sie als Betroffene oder Betroffener selbst tun können

  • Zunächst müssen Sie die Erkrankung akzeptieren. Nur so kann eine Behandlung erfolgreich sein.
  • Zeigen Sie Geduld mit sich selbst und setzen Sie sich keine zu hohen Ziele. Versuchen Sie, Ihre Erwartungen möglichst tief zu halten.
  • Nehmen Sie sich Zeit für sich. Legen Sie regelmässig Pausen ein. Schlafen Sie so viel wie möglich. Und versuchen Sie – wann immer möglich – Entspannung in Ihren Alltag zu bringen.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen. Und achten Sie darauf, dass Sie regelmässig essen.
  • Bleiben Sie aktiv. Bewegung im Alltag und Sport helfen gegen depressive Verstimmungen.
  • Organisieren Sie sich. Planen Sie Ihren Tag. Und organisieren Sie Unterstützung, zum Beispiel für die Hausarbeit oder den Einkauf.
  • Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle. Ob mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner, mit Freunden oder mit weiteren Betroffenen: Der Austausch hilft.

Was Sie als Partnerin oder Partner tun können

  • Zeigen Sie Verständnis und Geduld.
  • Hören Sie zu. Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen für Probleme.
  • Fokussieren Sie auf das Positive. Loben Sie Ihre Partnerin oder Ihren Partner, und zeigen Sie Dankbarkeit.
  • Versuchen Sie, Ihre Partnerin oder Ihren Partner zu entlasten oder organisieren Sie Unterstützung.
  • Zwingen Sie Ihre Partnerin oder Ihren Partner nicht, wichtige Entscheidungen zu treffen, wenn er oder sie mir der Situation überfordert ist.
  • Begleiten Sie Ihre Partnerin oder Ihren Partner in die Arztpraxis und sprechen Sie gemeinsam über die Behandlung und über Fortschritte.

Was Fachpersonen tun können

Wenn Betroffene die Situation allein nicht mehr bewältigen können oder das Bedürfnis nach Unterstützung verspüren, ist es sinnvoll, externe Fachpersonen beizuziehen. Als erste Anlaufstelle dienen zum Beispiel die Hausärztin oder der Hausarzt, die Hebamme oder Familienberatungsstellen. Die Behandlung übernehmen dann Psychologen oder Psychiaterinnen.

Haben Sie Fragen?

Benötigen Sie weitere Informationen, oder haben Sie Fragen zur postpartalen Depression? Unsere Gesundheitsberaterinnen und -berater helfen Ihnen gerne weiter.

Bei einer postpartalen Depression werden verschiedene Arten von Therapien eingesetzt. Spezialistinnen und Spezialisten beurteilen gemeinsam mit den Betroffenen, welche Behandlung am besten geeignet ist:

  • Einzeltherapie
  • Paartherapie
  • Gruppentherapie
  • Hormontherapie
  • Lichttherapie
  • Komplementäre Behandlungsformen wie Akupunktur oder Homöopathie

Bei einer schwerwiegenden Erkrankung sollte eine stationäre Behandlung in Betracht gezogen werden. Dafür gibt es spezielle Kliniken mit Mutter-Kind-Plätzen.

Die Psychiaterin oder der Arzt kann Medikamente verschreiben, die die Heilung unterstützen. Sie sollten jedoch immer mit anderen Therapieformen kombiniert werden. Folgende Medikamente werden bei einer postpartalen Depression eingesetzt:

  • Antidepressiva
  • Angstlösende Medikamente
  • Schlafmittel
  • Antipsychotische Medikamente
  • Naturheilmittel

Wer übernimmt die Kosten für die Therapie?

Die Grundversicherung übernimmt die Kosten für eine ärztliche Psychotherapie, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt und die Therapie ärztlich verordnet ist. Dies gilt auch für eine nicht-ärztliche Psychotherapie bei selbstständigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, sofern die gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind.

Viele alternative Therapien sind durch eine entsprechende Zusatzversicherung gedeckt. So übernimmt etwa COMPLETA 75 Prozent der Behandlung bei anerkannten Therapeutinnen und Therapeuten sowie Methoden der Komplementärmedizin.

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Können Mütter, die einmal an einer postpartalen Depression erkrankt sind, weitere Kinder bekommen?

Ja. Wichtig ist jedoch, die Auslöser so weit wie möglich zu beheben. Ausserdem sollte die Depression bis zur Schwangerschaft abgeklungen sein. Sämtliche Fachpersonen, die die Mutter während der nächsten Schwangerschaft betreuen, sollten über die frühere Depression Bescheid wissen. Teilweise ist es auch sinnvoll, sich während der Schwangerschaft oder nach der Geburt therapeutisch begleiten zu lassen.

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